Schlachtebank
Festplatz
Geschichte der Fleischerei Emmerich in Rötgesbüttel
Wer von Meine kommend auf der Bundesstraße 4 in Richtung Norden nach Rötgesbüttel hineinfährt, sieht kurz nach dem Ortsschild, auf der linken Seite, einen stattlichen Laden, die Fleischerei Emmerich.
Die Geschichte der ersten Schlachterei in Rötgesbüttel begann mit Willi Emmerich, geb. 1859. Er kam 1896 aus Gifhorn hierher, weil er die beiden Ziegeleien in Rötgesbüttel schon früher von Gifhorn aus belieferte. Für die schwere körperliche Arbeit war es dem Ziegeleibetreiber wichtig, eine gute Versorgung bereitzustellen. Mit diesen guten Kunden im Blick war es für Willi einfacher, hier vor Ort zu schlachten.
Zunächst erwarb Willi Emmerich ein altes Bauernhaus am Ortsausgang von Rötgesbüttel, Richtung Meine. Nach etwa zehn Jahren fasste er den Entschluss, das Gebäude nach den Erfordernissen einer Schlachterei umzubauen. Es war aber nicht einfach für ihn, die vielen Auflagen seitens der Behörden zu erfüllen. So gab es 1907 zwischen ihm und dem Landrat in Gifhorn, wegen der späten Anlieferung der Zeichnungen für das neue Schlachthaus und der damit verbundenen Genehmigung einer Konzession, einen langwierigen Schriftverkehr. Das Genehmigungsverfahren, zu dem auch der Gemeindevorsteher Stieghahn mit eingeschaltet wurde, zog sich sehr in die Länge. Aber schlussendlich wurde die Anlage wie geplant verwirklicht.
Nach Willi Emmerich übernahm Sohn Karl in den 1920-er Jahren den Betrieb. Dank der damals fortschrittlichen Einrichtung und der guten Qualität seiner Fleischereiprodukte lief das Geschäft sehr gut. Eine Besonderheit, die er einrichtete, war sein Kühlhaus (auch Eiskeller genannt). Dies ermöglichte ihm seinen Schlachtbetrieb durchgängig, auch im Sommer, aufrecht zu erhalten. Auf den Eiskeller werden wir noch später zurückkommen. Im Ganzen war die Schlachterei vor dem zweiten Weltkrieg nicht so groß, denn fast jeder der Dorfbewohner schlachtete damals selbst. Es gab mehrere Hausschlachter im Ort. Die Hausschlachter hatten oft einen zweiten Beruf, meistens Maurer. Diese Berufe ergänzten sich gut, denn im Winter wurde geschlachtet und im Sommer gebaut.
Nach Karl übernahm sein Sohn Walter Emmerich sen. 1951 den Betrieb. Walter sen., der Vater des späteren Inhabers mit gleichem Vornamen, baute den Betrieb weiter aus. Auch für ihn war es nicht einfach, die vielen Auflagen der Behörden zu erfüllen und diesen ausgezeichneten Standort an der Bundesstraße 4 zu halten. Nach der Einweihung zeigte sich der Laden im völlig neuen Gewande. Nichts erinnerte mehr an das frühere Bauernhaus. Auch die Inneneinrichtung war ganz auf die Bedürfnisse der Schlachterei eingestellt. Eine Besonderheit des Ladens war schon damals, Emmerichs Bratwurst. Nirgendwo an der B4, von Lüneburg bis Braunschweig, schmeckte die frisch gegrillte Bratwurst so gut wie in Rötgesbüttel. Daher legte so mancher auf seiner Fahrt hier einen Wurst-Stop ein.
Leider verstarb Walter sen. früh, schon mit 48 Jahren. Seine Frau Erni leitete den Betrieb so lange weiter, bis ihr Sohn Walter 18 Jahre alt war und damit berechtigt, den Betrieb in der Familientradition weiterzuführen. Der Fleischerladen blieb aber weiterhin in der Hand von Mutter Erni, allerdings bei tatkräftig unterstützt von Tochter Regina. Angesichts der großen Auswahl von Wurst- und Fleischwaren war das Einkaufen schon damals ein aufregendes Erlebnis.
Walter jun., unterstützt von seiner Frau Sigrun, führten den Betrieb erfolgreich weiter. Auch ihnen gelang es, das Geschäft auszuweiten. Recht bald war wieder ein Umbau erforderlich. Ähnlich wie bei seinem Urgroßvater Willi gab es wieder ein langwieriges Tauziehen mit den Behörden. Aber auch hier ließen sich alle Auflagen umsetzen. Die strikten Hygieneauflagen für Fleischereibetriebe führten allerdings dazu, dass inzwischen keine Schlachtungen mehr im Hause stattfinden. In der jetzigen Ausbaustufe bietet der inzwischen mittelständische Betrieb alle Voraussetzungen für eine moderne Fleischverarbeitung. Als weitere Standbeine kamen hinzu, z.B. ein Imbiss, nebenan in der früheren Schmiede und das Angebot eines Party Service.
Inzwischen führt Kai Emmrich den Familienbetrieb in 5. Generation. Er hat bereits begonnen, die Arbeitsabläufe weiter den heutigen Bedingungen anzupassen. Über seine Errungenschaften werden spätere Generationen berichten. Allerdings kann man schon eines feststellen: Die Bratwurstbude an der B4 gibt es nicht mehr. Aber dafür findet man an ähnlicher Stelle jetzt einen Verkaufsautomaten. Durchreisende können also weiterhin ihre Bratwurst bekommen, nur grillen müssen sie jetzt selbst.
Der Büchenteich als Rohstofflieferant für Emmerichs Eiskeller
Hans Egon Leißa, 15.Februar 2006 + 07.05.2006
Der Eiskeller war kein Keller im eigentlichen Sinne, sondern ein mit einer Tür versehener, geschlossener oberirdischer Raum, dessen Decke mit Teerpappe abgedeckt war. Dieser Raum befand sich in der Mitte eines ca. 10 x 8 Metern großen Gebäudes mit Pultdach. Das Gebäude stand an der Ecke zum Sportplatz und der Grenze zum Nachbarn Grußendorf, heute Lau. Zwischen den Außenmauern des fensterlosen Gebäudes und den Wänden des Innenraumes, dem Eiskeller, befand sich ein großer leerer Zwischenraum, der im Winter über eine Luke im Giebel des Gebäudes mit Eis gefüllt wurde. Nur ein abgemauerter Durchgang blieb frei. Man musste, um in den Kühlraum zu gelangen, erst durch die Tür des Außengebäudes und dann die Tür des eigentlichen Eiskellers.
Nun zum Büchenteich.
Einmal im Jahr, im Winter, meistens nach Weihnachten, wenn der Büchenteich zugefroren war, wurde für die Schlachterei Emmerich “geeist“. Ältere Rötgesbütteler können sich noch gut daran erinnern, dass Karl Emmerich, der Urgroßvater des heutigen Inhabers Kai, Rötgesbütteler Bewohner als Hilfskräfte anheuerte, um das Eis aus dem Büchenteich zu holen.
Wie berichtet wird, waren an dieser Aktion ca. 15 bis 20 Personen beteiligt. Mehrere Helfer haben das Eis mit Äxten und Sägen aus dem Teich gehackt oder gesägt, andere fischten es dann mit Haken heraus. Das Eis wurde an das Ufer transportiert, in kleinere Stücke zerkackt und mit Rübengabeln auf Wagen verladen. Zwei Kutscher, die die Pferdefuhrwerke mit je zwei Pferden lenkten, brachten die voll beladenen Eiswagen auf der Bundesstraße, ca. 900 Meter weiter, zu Emmerichs. Dort wurde das Eis abgeladen und über eine Luke, die sich im oberen Teil des Außengebäudes vom Eiskeller befand, in den Hohlraum zwischen Innenraum und Außenwand eingefüllt, ca. drei bis vier Meter hoch, und danach noch einmal zerkleinert, um sicher zu stellen, dass auch jeder Hohlraum ausgefüllt war, und möglichst wenig Luft zwischen den Eisstücken übrig blieb.
Diese Aktion dauerte zwei Tage. Während des Zweiten Weltkrieges haben außer den vielen Dorfbewohnern auch französische Kriegsgefangene, die in Möllers Gaststätte, später Pilzfarm Wesner, untergebracht waren, beim “eisen“ geholfen. Neben der harten Arbeit muss es wohl auch recht fröhlich zugegangen sein, denn es gab anschließend viel zu essen und zu trinken. Üblicherweise gab es für alle Beteiligten Hammelbraten mit Weißkohl. Gegessen wurde gemeinsam bei Emmerich in der Stube. Unterschiede zwischen Einheimischen und Kriegsgefangenen wurden dabei nicht gemacht. Getränke gab es genug und manch einer ging danach mit Schlagseite nach Hause.
Die Pferdefuhrwerke stellte meistens die Bäckerei Schrader, später Fliesengeschäft Lindenberg, und die Gastwirtschaft Tietje, später Gasthaus Ruge, heute Boss, zur Verfügung.
Das Eis in dem Gebäude taute im Laufe des Jahres langsam auf, hielt sich aber, je nach Jahrestemperatur, bis etwa September. Das Fleisch in dem Eiskeller wurde auf diese Weise während der Sommermonate frisch gehalten.
Wann das “eisen“ aufgehört hat, ist nicht mehr festzustellen. Auf jeden Fall wurde es auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführt, denn Zeitzeugen wissen zu berichten, dass Walter Emmerich, der Großvater des heutigen Besitzers, kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg beim “eisen“ in den Büchenteich gefallen war, aber rechtzeitig gerettet werden konnte.
Das Eis kam später in doppelwandige Kühlbehälter, um das Fleisch bei hohen Sommertemperaturen im Innenraum des Kühlbehälters frisch zu halten. War das Eis aufgebraucht, so musste man nicht mehr bis zum Winter warten, sondern kaufte das Eis in Gifhorn oder Braunschweig. Es gab dafür extra Eiswagen, die das Stangeneis u.a. auch an Gaststätten lieferten.
Der alte Eiskeller wurde überflüssig und später abgerissen, um den modernen Einrichtungen Platz zu machen. Im Laufe der Jahre setzten sich immer mehr die modernen, mit Strom betriebenen Kühlsysteme durch und das Natureis, Stangeneis oder Trockeneis wurde daher nicht mehr benötigt. Überflüssig wurde damit aber auch das s.g. „eisen“, eine gemeinsame Aktion des Dorfes, die sicherlich harte Arbeit bedeutete, aber auch den Gemeinsinn des Dorfes gefördert hat.
gespendet von der Fleischerei Emmerich GmbH & Co. KG