Flachsbank

Am Rode- (Rotte-) weg vor dem Wäldchen

Der jetzige Rodeweg, Richtung Isenbüttel, soll früher einmal Rotteweg geheißen haben. Dieser Name erinnert an den Flachsanbau in dieser Gegend. Hier auf dem Hohen Feld ist der Boden recht sandig und damit nicht sonderlich ertragreich für Feldfrüchte. Für Flachs, dem Grundstoff für Leinen, ist der Boden gut geeignet. Daraus lässt sich schließen, dass die verschiedenen Schritte der Leinengewinnung hier entlang des Weges betrieben wurden.

Der Flachsanbau folgte festen Regeln. Dabei spielt die Zahl 100 eine zentrale Rolle. Der Flachs sollte am 100. Tag (10. April) ausgesät werden. Nach 100 Stunden musste er sprießen, und 100 Tage später (20. Juli) konnte man ihn ernten. (Hierbei ist zu bedenken, dass zu der Zeit, als die Regeln entstand, sicher noch der Julianische Kalender galt. Dann muss man zu den obigen Terminangaben ca. 10 Tage hinzuzählen.)

Die Leinengewinnung erforderte viel Handarbeit. Im Mai war es Zeit, das Feld vom Unkraut zu befreien. Diese Arbeit musste barfuß erfolgen und wurde im Wesentlichen von Kindern und jungen Frauen verrichtet, damit die jungen Flachshalme nur wenig litten. Bei der Ernte wurde der Halm nicht geschnitten, sondern die Stängel mit samt der Wurzel herausgezogen. Es sollte kein Stück der Leinenfaser verloren gehen. Wie beim Getreide mussten die Gaben zunächst auf dem Feld für ein paar Tage zum Trocknen aufgestellt werden.

Den getrockneten Flachs holte man nach Hause, um dort die Samenkapseln abzustreifen. Dies geschah mit Hilfe der Riffelbank, einem schweren Tisch mit einem eisernen hochstehenden Kamm. Eine Hand voll Flachs schlug man auf den Kamm und zog ihn dann durch die Zinken. Dabei lösten sich die Leinensamen und fielen zu Boden. Die Samen bildeten einen wichtigen Teil des Flachsanbaus. Anschließend schlug man den Flachs noch einmal auf den Riffelkamm, um die Wurzeln zu entfernen.

Der so vorbereitete Flachs sollte nun seine Faser frei geben. Hierfür legte man ihn in eine etwa 1 m tiefe Wassergrube. Alle Halme wurden sorgsam unter Wasser gedrückt und dann mit Brettern und Grassoden beschwert, damit möglichst keine Teile an der Luft waren. Nur so blieben die Fasern schön weiß. Der Flachs musste in der Grube ein bis zwei Wochen rotten. Dabei lösten sich die Fasern vom Rest des Stängels.

In Rötgesbüttel befand sich die Rottekuhle nördlich vom Rohdeweg nach Isenbüttel, auf der Wiese etwas westlich vom jetzigen Handy-Funkturm. Der Vorgang des Rottens (Faulens) verströmte angeblich starke unangenehme Gerüche. Daher legte man solche Gruben außerhalb von Ortschaften an. Die durchziehenden Wanderer mussten allerdings den Gestank eine Weile lang ertragen. Das ist sicherlich der Grund, warum der Weg die nicht ganz schmeichelhafte Bezeichnung ‘Rotteweg‘ erhielt.

Der Flachs aus der Rottekuhle musste nun getrocknet werden. Dafür legte man ihn gern in den vorgeheizten Brotbackofen. Hier war allerdings große Vorsicht geboten. Denn der trockne Flachs brennt wie Zunder. An klaren, heißen Sommertagen konnte auch die Sonne die Arbeit übernehmen.

Wie man dem Aufbau eines Flachshalms in der Abbildung oben entnehmen kann, muss man die Fasern vom holzigen, inneren Teil trennen. Hierfür wurden die Stängel in kurzen Abständen gebrochen. Das zugehörige Gerät, die Breche, erzeugte einen Knick alle paar Zentimeter. Nun ließen sich die holzigen Teile herausschütteln und man hatte die gewünschten Faserbündel in der Hand. Bei diesem Vorgang entstand oft viel Staub. Angeblich soll er verantwortlich für eine Reihe von Lungenleiden gewesen sein.

Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Leinenfasern durch einen eisernen Kamm, den Hechel, gezogen. Damit trennte man die schönen langen Leinenfasern von den kurzen Stücken und von den verbliebenen kleinen Stängelresten. Die sauberen, langen Fäden verwendete man für das feinen Gewebe, für Kleidung und Bettzeug. Die ausgekämmten kurzen Enden nahm man für grobes Leinen, dass als Arbeitsmaterial, für Säcke oder Plane, später diente.

Grundsätzlich wurden alle Teile der Flachspflanze sinnvoll genutzt. Ein Teil der Leinensamen kam wieder zur Aussaat, der andere diente als Speise. Die Wurzeln bot man dem Vieh, Schafe oder Ziegen, zum Fressen. Reste der Flachsstängel eigneten sich gut als Streu (noch heute nimmt man gern Flachsstreu für Haustiere). Und die Leinenfasern sind schließlich die Grundlage für die Herstellung der begehrten Tuche. Wenn man sich überlegt, wie viel Mühe und Schweiß all die einzelnen Arbeitsschritte erfordert haben, sollte man die vielleicht ererbten Leinenbahnen oder Laken mit einer gewissen Hochachtung betrachten und behandeln.

Weitere Details zur Leinengewinnung findet man unter:
www.r-steger.de/Flachsverarbeitungsschritte.htm

gespendet von Christiane Lühr